Was hat Dich gereizt, in dem Pilotfilm "Y - Wie alles
begann" mitzuspielen?
Alexander: |
An diesem Film hat mich gereizt, dass es meiner
Auffassung nach ein
Comic ist. Ich
finde es sehr spannend mal solche Klischees zu bedienen.
Comics arbeiten mit Klischees. Intelligente und gute Comics
gehen auch ironisch, witzig, humorvoll, ja eben intelligent
mit diesen Klischees um. Das hat mich gereizt. |
Wie hast Du Dich auf die Rolle von "Y" vorbereitet?
Alexander: |
Diese Figur des Bösen, des Schurken, ist ja
psychologisch nicht definiert. Ich kann eigentlich alles
reinpacken, was ich will. Und dann kommt bei "Y" noch dazu,
dass er sich immer was reindröhnt, dass er immer ständig auf
Droge ist. Und zwar nicht wie vielleicht Gary Oldman in "Leon
der Profi" dieses Angespannte, sondern im Gegenteil: eine
Droge, die eigentlich den Effekt hat, dass er eher in Harmonie
mit sich selbst gerät, dass er durchaus in einer guten
Stimmung, aber voll drauf, durchzieht ,was er da macht. In
einer zufriedenen Gelassenheit, kann man sagen.
Sozusagen dieser Hinweis, so einer Figur mal
eine ganz andere Wendung zu geben und nicht immer das
Verbissene, das Verkrampfte, das Kaputte, das Zerstörte, das
Hassverzerrte rauszuarbeiten, das hat mich an der Figur
interessiert. Eben das mal auf eine ganz andere Art und Weise
zu machen.
Und das hat natürlich jetzt auch was mit der
Vorbereitung zu tun. Ich stehe erst mal vor einem unbekannten
Feld. Dies ist für mich meistens eine der Hauptbedingungen
überhaupt, Rollen anzunehmen. Dass ich einen weiten Spielraum
habe die Figuren zu gestalten, dass sie nicht total
festgelegt, definiert sind und dass ich nicht nur zum
Erfüllungsgehilfen einer fremden Phantasie werde, was etwas
rein Handwerkliches wäre, das andere sehr viel besser können
als ich. Wichtig ist für mich sozusagen originär aus meiner
Phantasie heraus einen Bereich füllen zu können.
Das ist natürlich die Aufgabe und die
Schwierigkeit bei der Vorbereitung gewesen. Aber, wie mache
ich das? Ich gehe die Sachen halt immer wieder in Gedanken
durch. Ich gehe die Texte durch, stelle fest, wo sie mir
gefallen und wo nicht, verändere die Texte zum Teil als
Vorschlag. Ich versuche vor allem Dinge zu finden, die mich an
der Welt, an der Figur und am Leben interessieren.
Nehme dies auch als Chance das Klischee des
Guten irgendwie dabei zu entlarven. Es ist ja nicht so, dass
ich nur das Klischee des Bösen selbst spielen würde, das ja
sowieso sehr viel mehr Freiheiten lässt, weil Normverstöße
erlaubt sind, weil ich nicht immer auf dieser
´Gut-Menschen-Schiene´ drauf sein muss, weil ich mich anders
verhalten kann als es sonst gesellschaftlich verlangt wird.
Und viele Bereiche in denen man sich anders verhalten kann als
es eigentlich gesellschaftlich verlangt wird, sind ja oft
interessanter und meines Erachtens auch gelegentlich
beispielhafter, anstrebenswerter als so eingefahrene Schienen,
die man als das Gute betrachtet.
In dem ich also in verschiedenen Nebenlinien
intelligente Antagonismen zum Guten konstruiere, kann ich
manchmal auch das Gute als Klischee entlarven. Und das ist mit
eines der Dinge, die mich an solchen Rollen interessieren. |
Du kannst also die Texte am Set manchmal ändern, wenn sie Deiner
Meinung nach nicht so stimmig sind?
Alexander: |
Sagen wir so: Ich nehme es mir erst mal heraus,
wenn ich der festen Überzeugung bin, dass es so nicht geht wie
es da steht und dass man es anders machen muss, weil ich mich
vorher sehr mit meiner Figur und dem Drehbuch beschäftigt
habe. Meine Änderungen schlag ich dann vor. Es hat natürlich
auch viel mit dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Regisseur
und mir zu tun, ob es funktioniert. An einem ersten Drehtag
zum Beispiel würde ich das nicht machen, es sein denn, es gibt
ganz krasse Unmöglichkeiten im Text. Ich kann nicht zum Set
kommen und sagen "Guckt mal, ich habe einen neuen Dialog.",
weil es dann viele Autoritätsprobleme, Profilierungsprobleme
und andere Probleme geben würde. Dann kann sich diese ganze
Auseinandersetzung leicht kontraproduktiv auswirken.
Deswegen geht es halt nur dann, wenn man schon
ein paar Tage mit dem Regisseur gearbeitet hat, wenn man sich
vertraut und man genau weiß, dass sich hier keiner
hervorspielen will, sondern dass es lediglich darum geht, das
Produkt zu verbessern. Dann funktioniert das in der Regel,
weil ich auch manchmal ganz gute Einfälle habe. |
Hast Du denn bei den Dreharbeiten zu "Y" schon mal den Text
verändert? Wenn ja wo?
Alexander:
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Ja, habe ich schon
gemacht, z.B. bei einer Szene im Hochhaus, wo er sich wieder
seine Droge reinzieht. Das wollte ich nicht an den Anfang
dieser Szene setzen, sondern an den Schluss. Ich wollte, dass
wir mitten in das Gespräch einsteigen, dass er sich abwendet
und das man das nur von hinten sieht.
Also, man sieht während er sich dreht, dass er seine Droge
nimmt. Dann siehst du von hinten halt oder ahnst, dass er sie
nimmt und dann kippt er so ein wenig leicht zur Seite an so
einer Säule und rutscht dann einfach aus dem Bild raus. Das
ist eben eine andere Ebene: Das ist ein bisschen witzig und
wir machen uns selbst nicht zum Opfer einer aufgeblähten
Ernsthaftigkeit bei der es viele Peinlichkeiten geben kann,
sondern wir spielen sozusagen mit diesem Medium. Wir spielen
eben. Wir spielen mit diesen Klischees. |
Wie wichtig ist für Dich die Beziehung zum Regisseur?
Alexander:
|
Die ist extrem
wichtig. Wenn diese Beziehung nicht funktioniert, funktioniert
auch kein Film, keine Figur, keine Rolle. Weil ich dann auch
gar nicht den Mut habe mich zu entfalten, weil schon die
innere Schere dann ansetzt, weil ich schon genau weiß, dass
stößt auf die und die Widerstände, der kann es sowieso nicht
leiden aus welcher Ecke ich denke bzw. er versteht es sowieso
nicht, was ich damit meine.
Und dann werden alle Ansätze sozusagen schon im Keim erstickt
und dann kann ich in einem Film gnadenlos schlecht sein. Dann
bin ich natürlich auch sehr unglücklich. Es ist ganz schwer.
Ich habe große Probleme einfach nur der Handwerker zu sein,
der etwas macht, was man ihm vorsetzt. Nicht, weil ich bösen
Willens bin oder mich so toll fände. Ich kann einfach nur das
wirklich gut spielen, was ich begreife und was ich für richtig
halte. Deswegen kommt es drauf an, dass man sich gegenseitig
überzeugt. Ich bin offen. Ich bin überhaupt nicht stur. Ich
habe riesen Ohren und möchte genau wissen, was der Regisseur
denkt und ich möchte immer, dass wir uns einigen, dass man
einen Weg findet, der uns beiden gefällt.
Gute Regisseur schätzen eigene Gedankenarbeit. Wenn man sich
gegenseitig respektiert und achtet und auch noch sich mag,
dann ist dies natürlich sehr hilfreich. |
Ist für Dich die Schauspielerei nicht auch: Ein bisschen von Dir
selber Preis geben?
Alexander:
|
Ja, von mir selbst
Preis geben und Dinge in mir überhaupt erst mal aufspüren. Zum
Beispiel meine Haltungen zu bestimmten Verhaltensweisen, zu
bestimmten Situationen erst mal raus finden.
Wenn ich mich vorbereite ist das spannende immer, dass ich
merke, dass meine ersten Gedanken meistens die eingefahrenen
Gedanken sind, die zweiten Gedanken meistens in irgendeine
wilde Richtung weit über das Ziel hinaus schießen, und die
dritten, vierten und fünften Gedanken dann erst wirklich die
spannenden sind. Und das dauert natürlich seine Zeit. |
Lernst Du bei den Dreharbeiten auch etwas über Dich selbst?
Alexander:
|
Ja klar. Vor allen
Dingen, ich versuche ja auch immer etwas Neues zu entdecken.
Wenn ich merke, dass ich jetzt anfange etwas zu machen, was
ich schon mal gemacht habe, finde ich das nicht mehr spannend
und dann interessiert mich das auch schon nicht mehr. Dann
habe ich auch komischerweise keine eigene innere Spannung und
keine wirkliche Energie, da weiter zu gehen. Vor allem, weil
ich auch weiß, dass ich selbst inzwischen weitergelebt habe
und weiter bin und neues erfahren habe, möchte ich auch das
finden, was mich jetzt verändert hat im Verhältnis zum letzten
Jahr. Und das kann nicht darin bestehen, dass ich mich
wiederhole. Und das ist halt immer Entwicklung, pathetisch
gesprochen: Grenzen überschreiten. Ich will halt immer was
Neues finden. Ich möchte etwas erleben, was ich selbst noch
nicht kenne, wenn ich eine Rolle spiele und wenn ich eine
Rolle erarbeite. |
Gibt es eigentlich in der Rolle "Y" auch ein paar Züge von
Alexander Radszun oder andersrum?
Alexander:
|
Ja, das ist diese
berühmte Frage. Ich weiß nicht, dass kann man so nicht einfach
beantworten. Ich halte mich überhaupt nicht für böse, absolut
nicht. Im Gegenteil. Ich habe eine unglaubliche Sehnsucht nach
dem Guten, wenn man so will nach Liebe. Also, genau nach dem
Gegenteil von dem, was ich da oft zeige oder demonstriere.
Aber wie gesagt, ich versuche das auf eine Art zu
demonstrieren, dass man das nicht so einfach wegpacken kann.
Aber insofern habe ich nichts von dem Bösewicht, was jetzt
meine eigene Moral anbelangt. Nur, von den anarchistischen
Momenten her vielleicht, von den Normverstößen her, von dem
Andersdenken her als es so die political oder moral corectnes
verlangt. Von daher gesehen hat es schon wieder viel mit mir
zu tun, ja. |
Macht Dir die Schauspielerei immer noch Spaß? Oder ist es doch
nach ein paar Jahren eher so ein Job wie jeder andere?
Alexander:
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Also, es macht mir
gigantischen Spaß. Ich spiele leidenschaftlich gern. Ich
spiele auch leidenschaftlich gern nicht. Also, ich genieße
meine Zeit. Ich möchte auch gar nicht zu viel spielen. Ich
brauche auch außerhalb des Spiels Zeit, um meine
Persönlichkeit zu entwickeln. Das ist ganz wichtig, weil das
sind ja meine Ressourcen, das sind meine Quellen aus denen ich
schöpfe. |
Hast Du in "Y" auch Stunts selbst gemacht?
Alexander:
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Nur das, was ich
machen durfte. Diese Sache im Wasser, im Rhein, die musste ich
natürlich machen, weil man die Gesichter sieht. Das ist ja
klar. |
Würdest Du gerne noch mehr Action-Szenen selber machen?
Alexander:
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Ja,
natürlich. Aber nur, wenn ich die Gefahr selbst einschätzen
kann. Und auch dann geht das halt in der Regel nicht. Das sehe
ich auch ein. Das geht oft schon aus versicherungstechnischen
Gründen nicht. Wenn da wirklich ein Risiko ist, dann kann man
das nicht machen. |
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